Balkis
Die schwarze Gazette
Ausgabe 106 vom 25.09.2005
 
Extrablatt - Reisebericht
 
Der Exhibitionist
 

 
Die schwarze Gazette: Extrablatt - Reisebericht

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Der Exhibitionist
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Liebe Leserinnen und Leser, der folgende Reisebericht (eigentlich eher ein Erlebnis) ist aus Gründen des Jugendschutzes vollständig anonymisiert. Außer der Autorin, welche wie immer ungenannt bleiben möchte, ist daher auch der "Hauptdarsteller" namenlos. Obwohl es uns in den Federkielen gejuckt hat kommen wir schweren Herzens dieser moralischen Verpflichtung nach...

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Mit der fünf Uhr Postkutsche kamen die Landeier, die Neulinge, das Frischfleisch. Die kleine Diebin und ich nahmen gerade unseren Nachmittagstee im Gasthaus über der Zweigstelle-West der Landeszentralbank ein. Virginia servierte uns ihr vorzügliches Gebäck, während wir den Ausblick genossen. Neugierig beobachteten wir die unbekannten Gesichter. "Knackiger Arsch!" kommentierte meine Freundin und lenkte meine Blicke auf einen blonden Hünen. "Kein Hirn!", erwiderte ich mit Kennerblick. Ein bunt gemischter Haufen entstieg der von Staub umwabernden Kutsche. Leider nichts Besonderes. Der normale Durchschnitt des üblichen Einwandererstromes.

Gerade wollte ich mich gelangweilt abwenden als ER als letzter seinen Fuß auf Britains Boden setzte. Majestätisch erschien er aus der Staubwolke welche die Kutsche umgab. Ein Sonnenstrahl traf sein überaus männlich wirkendes Gesicht. Die kräftigen Armmuskeln verrieten ihn als Handwerker. Ich starrte ihn an. Und... - ich gebe es zu - mir stand der Mund offen. Mein Blick wanderte von seinen Gesichtszügen über sein verschwitztes einfaches Hemd hinunter zu den etwas niederen Gefilden. Auch meine Begleiterin war aufgesprungen und staunte. "Gar nicht übel!", kam es ihr schmunzelnd über die Lippen. Ich überhörte sie. Mein Blick haftete ungläubig an jenem Mann dort.

Sein mächtiges Gemächt baumelte ungeniert, unbedeckt und entblößt luftig locker in Mutters freier Natur. Mir viel die Teetasse aus der Hand. Das heiße Getränk verbannte mir durch das schwarze Kleid hindurch den Oberschenkel. Ich spürte es kaum. Was für ein Mann, dachte ich. Endlich jemand der die starren spießbürgerlichen Konventionen hinter sich lies und gegen das Establishment aufbegehrte.

Der Freigeist betrat selbstbewusst und erhobenen Hauptes die Stadt. Der Kutscher schüttelte nur leicht verwundert den Kopf. Die restlichen Mitreisenden schienen sich bereits an den Anblick gewöhnt zu haben. Die Neulinge verstreuten sich. Der Platz leerte sich. "Komm, das müssen wir uns ansehen!", rief mir meine kleine Waldläuferin zu. Schon waren wir unten an der Straßenecke und beobachteten den Freigemächtigen.

Der Mann war eine Naturgewalt, eine Institution, die Selbstsicherheit in Person. Er betrat einige Geschäfte, gefolgt von hysterischen Frauenschreien. Ein paar Fräuleins und Bedienstete vielen in Ohnmacht. Ihn kümmerte es nicht. Er war die Ruhe selbst, als sei er es gewöhnt einen solchen Eindruck zu hinterlassen. Eines jedoch machte mich stutzig: Wo war nur die Garde? Hatte Roger an der Westbrücke die Kutsche nicht inspiziert? Während Räubern und Mördern üblicherweise die Hände geschüttelt werden und der Bauch gepinselt wird, ereilt das Schicksal solche Augenweiden und Quergänger in der Regel in Form eines 20 Mann starkem Einsatzkommandos.

Dafür gab es nur eine Erklärung. Mein Freundin hatte wohl den gleichen Gedanken, denn wir sahen uns an und mussten lauthals Lachen: Klarer Fall, die Garde scheute den Vergleich. Wir blieben ihm weiter heimlich auf den Fersen. Und als ob er uns noch mehr beeindrucken wollte begab er sich zielgerichtet zum königlichen Schloss.

Da ging er nun - er, ein einfacher Bürger, ohne Hose - quasi nackend - durch die glitzernden Hallen des Adels. Völlig unbeeindruckt ob des Aufruhrs welchen er beim weiblichen Schlosspersonal hinterließ. Sein sicheres Auftreten öffnete ihm die Pforten - und natürlich der Umstand, dass das Gebäude z.Zt eher selten vom Königshaus genutzt wurde. Der Ordenswächterin Desiree verschlug es jedenfalls gehörig die Sprache als der Exhibitionist freundlich grüßend an ihr vorbeistolzierte. Ich gab ihr heimlich Zeichen ihn gewähren zu lassen, schließlich wollten wir uns den Spaß nicht verderben lassen. Doch als er verträumt den Schlossgarten entlang schlenderte überkam es mich. Ich konnte einfach nicht anders und musste ihn ansprechen:

"Sire, ich bewundere eueren Mut, euere stolze Haltung..." Ich sah dass er mich nicht verstand. Er, ein unabhängiges Individuum, frei jeglichen kleinbürgerlichen Zwanges, er konnte mich gar nicht verstehen. Ich wurde deutlicher: "Ich meinte das Fehlen eueres Beinkleides. Es zeugt von hohem Selbstbewusstsein in...."

"Oh!", unterbrach er mich, "Ohhh, sie haben auch diesen Augenfehler!?", ein wenig mitleidig, fast möchte ich sagen väterlich, nahm er mich zur Seite. Meine Blicke wanderten von seinem Teil zu seinem Gesicht und zurück. "Augenfehler?", ich war irritiert. "Ja meine Liebe, ich habe es mir während meiner Reise erklären lassen. Ein sehr seltenes Augenleiden. Ich bedauere natürlich das auch ihr davon betroffen seid, dennoch erfreut es mich in ihnen eine Leidensgenossin gefunden zu haben, die..."

Armer Trottel, dachte ich, sein schweres Gehänge musste ihm das Gehirn ins Gesäß gezogen haben. Anders war sein sinnloses Geplapper über ein "Augenleiden" und unsichtbare Lederhosen kaum zu erklären. Ich war enttäuscht. Es hatte sich wieder einmal bestätigt: Die Intelligenz eines Mannes verhält sich umgekehrt proportional zu seinem Lümmel

Trotzdem, etwas wie bedauern regte sich in mir. Und so gab ich ihm den kleinen entscheidenden Hinweis auf die Lücke in seiner so brillanten Krankheitstheorie:

"Ihr glaubt also durch einen angeborenen Augenfehler keine Lederhosen sehen zu können?"
Ein freundliches Nicken, seine Antwort.
"Und zur Zeit tragt ihr selbst auch eine dieser Hosen?"
Abermals ein freudiges Nicken, zusätzlich versicherte er mir, ich müsse mich bei seinem Anblick nicht genieren, da ich seiner Ansicht nach ja ebenfalls unter dieser Krankheit litt.

Jetzt holte ich zum vernichtenden Stoß aus:
"Mein lieber Mann, werft doch einmal einen Blick auf meine durchaus ansehnliche Begleiterin!" Als sein dämlicher Blick an ihrer Oberweite haften blieb, stieß ich ihn an, "Weiter unten, Sire! Was seht ihr da?"

"Eine sehr elegant anliegende Lederhose", erwiderte er und versuchte dabei charmant zu Lächeln. Ich setzte einen erwartungsvollen Gesichtsausdruck auf und deutete eine erkennende Handbewegung an während ich auf das "Klick" in seinem Spatzenhirn wartete.

Es klickte nicht!

Da riss mir der Geduldsfaden und ich packte fest und entschlossen zu. "Was glaubt ihr halte ich jetzt hier unten in meiner Hand?" zischte ich. Sein Mund klappte auf und zu wie bei einem Karpfen. Der Kopf wurde dunkelrot. Ich schob meinen Mund nahe an sein Ohr und flüsterte fragend: "Wenn an euerer Theorie etwas dran wäre, müsste dann nicht, trotz Augenleiden, etwas zwischen uns sein?" Ein heftiges Nicken war die Antwort. Er hatte verstanden. Endlich!

Übergehen wir den nun unrühmlichen Abgesang und wünschen ihm auf diesem Wege stellvertretend für alle neuen Einwanderer einen glücklichen Anfang. Mögen die Götter ein wohlwollendes nachsichtiges Auge auf ihn haben. Vielleicht wird ja noch was aus ihm werden. Vielleicht ein Gardist? Bei seinen "Qualitäten" ist ihm ein Offiziersrang sicher.


An den Hosen werdet Ihr sie erkennen...

gez. Die Untergrundbewegung
"Freiheit für Britain"



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25.09.2005 - 13:33Kontakt: redaktion@die-schwarze-gazette.de
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